Der Diesel-Abgasskandal ist seit fast einem Jahrzehnt in aller Munde und bewegt die Gemüter. Vor fast acht Jahren wurde bekannt, dass ein großer deutscher Automobilkonzern eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung von Diesel-Fahrzeugen verwendete. Ziel war die Umgehung der gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte für Autoabgase. Ein großer Aufschrei am Wirtschafts- und Aktienmarkt. Ein großer Schaden bei vielen Verbrauchern. Die Folge sind unzählige Haftungsansprüche gegenüber dem Vertragspartner und dem Hersteller. Der Diesel-Abgasskandal wird die Gerichte noch jahrzehntelang beschäftigen. Aber warum?
„Pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten. Das Prinzip der Vertragstreue liegt dem Rechtsgeschäftsrecht des nunmehr als 200 Jahre alten Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zugrunde. Dieses Prinzip wird dann durchbrochen, wenn ich zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes in die Irre geführt werde. Neben irrtums- und gewährleistungsrechtlichen Ansprüchen steht es mir frei auch schadenersatzrechtliche Ansprüche zu fordern, wenn mein Vertragspartner seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt. Oft können die Ansprüche nur mehr gerichtlich durchgesetzt werden. Dann entscheiden die Gerichte, welche Ansprüche mir tatsächlich zustehen. In weiterer Folge entwickeln sich dadurch Judikaturlinien, die wiederum eine Entscheidungshilfe für die Gerichte für Folgeprozesse darstellen.
Insbesondere in den zahlreichen Diesel-Abgasskandalen versuchte sich der Hersteller aus der Haftung zu nehmen. Diese begründete er damit, dass der Hersteller selbst nicht Vertragspartner sei und daher nicht haftbar, mit einem Software-Update alles erledigt sei, oder die Abschalteinrichtung unter eine Verbotsausnahme falle. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Nach einer Grundsatzentscheidung des europäischen Gerichtshofes (EuGH) steht fest, dass auch der Fahrzeughersteller haftbar ist, auch dann, wenn der Fahrzeughersteller nicht der direkte Vertragspartner des einzelnen Verbrauchers ist (OGH vom 25.04.2023, 10 Ob 2/23a, 10 Ob 16/23k, vgl. auch EuGH Rs C-100/21) .
Der oberste Gerichtshof (OGH) hat in einer Leitentscheidung festgestellt, dass der arglistig herbeigeführte Irrtum sich darauf richtet, dass der Motor die emissionsrechtlichen Vorgaben aufgrund seiner Qualität erfüllt und nicht aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung, wie von den Fahrzeugherstellern bisher behauptet. Da auch das nach dem Software-Update vorhandene Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren ist, kann keine Klaglosstellung begründet werden; so die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH v. 19.09.2023, GZ 2 Ob 5/23h und 27.06.2023, 1 Ob 149/22a). Damit schwindet das Argument des Herstellers, dass mit einem Software-Update alles erledigt sei. Ganz klar sagt der OGH in einer weiteren Entscheidung auch, dass es der Hersteller beweisen muss, ob eine Einrichtung unter eine Verbotsausnahme falle oder nicht.
Außerdem bejahte der OGH erst vor wenigen Wochen einen Anspruch auf den Minderwert des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuges (OGH v. 28.09.2023, 10 Ob 27/23b).
Das ist nur ein sehr kleiner Einblick in die umfassende und im Detail sehr komplexe Rechtsprechung der Gerichte im Zusammenhang mit den illegal verbauten Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung bei Diesel-Motoren. Klar ist, dass sich die Gerichte noch viele Jahre mit den Haftungsfragen beschäftigen werden. Dies vor allem deshalb, weil die Ansprüche der Verbraucher erst nach 30 Jahren ab Kenntnis verjähren.
Die kommenden Jahre werden zeigen, welches Potential die E-Mobilität hat und ob dadurch der sehr beliebte Diesel-Motor vollständig abgelöst wird. Die Hoffnung einer „skandalfreien“ E-Mobilität bleibt.
Gerade in Haftungsfragen sind es oft die Details, die über den Erfolg der einzelnen Haftungsansprüche entscheiden, weshalb eine Rechtsberatung in dem immer komplexer werdenden Haftungsrecht sowie in allen anderen Rechtsfragen unerlässlich ist. Ich kämpfe um Ihr Recht.